Haben Sie Kinder? Ja? Sind süß, oder? Das zeigt man ganz bestimmt auch gern. Die sind ja so putzig, und besonders in den niedlichen Jäckchen mit Hasenohren oder bei Essen – und gerade vollgeschmiert mit Eis oder Spaghettisoße kann man sicher ganz herzlich über den lustigen Anblick lachen.
Sagen Sie mal… waren Sie mal Kind? Ja?
Wie fanden Sie denn damals so das fotografiert werden und die Herumreichung der Familienalben unterm Weihnachtsbaum oder bei Opas 80. Geburtstag?
Ganz ehrlich: Ich fand das total behämmert. Abgesehen davon, dass die Kindermode in den 80ern scheinbar überwiegend aus aus beigem Cord und grauenvollen Mustern bestand (meine bis heute abgründig tiefe Abneigung gegenüber Poloshirts in allen Farben erklärt sich sehr einfach durch eine Blick ins Familienalbum) wird meine Erinnerung gekrönt durch ein Foto, dass meine Mutter von mir – schlafend – im knallroten Trainingsanzug (!) und masernübertupft gefertigt hat. Ich sah bestimmt witzig aus. Genau deswegen ist dieses Foto auch fest verschlossen an einem sicherern Ort verwahrt. Ich fand das nämlich damals ziemlich daneben und hätte es ganz furchtbar gefunden, wenn meine Eltern sowas herumgezeigt hätten. Bei sowas fühlte man sich nämlich schon bei Onkeln und Tanten irgendwie vorgeführt – und in der Schule wurde man ganz schön ausgelacht, wenn das rauskam.
Bis heute hat sich das nicht geändert – man nennt es allerdings jetzt „Mobbing“. Klingt gar nicht mehr so niedlich. Und weil das mit den Fotos heute alles noch viel einfacher ist als in den 80ern, habe ich als Anwalt – durch die 80er-Jahre Fotokunst meiner Familie traumatisiert – damit plötzlich wieder zu tun. Die Frage, ob Kinderbilder im Internet, also bei Facebook oder anderen sozialen Plattformen verbreitet werden dürfen, ist ein echtes Reizthema für Eltern und letztlich auch Kinder.
Deswegen an dieser Stelle ein Leitfaden für alle Eltern, Verwandten und Bekannten:
Kinder haben Persönlichkeitsrechte, und die müssen gewahrt werden. Fotos von ihnen dürfen also nicht veröffentlicht und verbreitet werden, wenn keine Einwilligung dafür vorliegt. Sorgeberechtigt sind meist beide Eltern, sie müssen also auch bei der Veröffentlichung von Bildern der Kinder gemeinsam entscheiden. Je nachdem, wie alt und einsichtsfähig das Kind ist, wohl spätestens ab 14 Jahren, braucht man zur Veröffentlichung und Verbreitung von Kinderfotos aber auch die Einwilligung des Kindes selbst. Gegenüber Dritten, also auch Opas, Omas und anderen Anverwandten, haben Kind und die sorgeberechtigten Eltern einen Anspruch auf Unterlassung, gegebenenfalls sogar auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Auch strafrechtliche Folgen kommen in Betracht, zum Beispiel bei Verletzung des Kunst- und Urheberrechtsgesetzes.
Unanhängig davon sollte man sich folgendes überlegen:
Sind Bilder einmal im Netz, sind diese nicht mehr „einzufangen“. Bei „Facebook“ zum Beispiel gewährt man dem Anbieter für gepostete Fotos und Videos ausdrücklich eine weltweite IP-Lizenz. Diese Lizenz endet zwar, wenn man diese IP-Inhalte oder sein Konto löscht – was aber, wenn die Inhalte mit anderen geteilt wurden und von diesen nicht gelöscht wurden? Was, wenn Screenshots gefertigt wurden? Oder das Foto von anderen Nutzern schon geteilt und in alle Welt verstreut wurde?
So verliert man nicht nur die Kontrolle über das Bild als solches, sondern gleichzeitig auch die über die Persönlichkeitsrechte des Kindes.
Damit aber nicht genug: Die Polizei und die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes warnen außerdem ebenfalls eindringlich davor, Fotos von Kindern für jedermann sichtbar bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken zu posten. Das hat einen noch viel schlimmeren Hintergrund: Pädophile suchen oft ganz gezielt nach Aufnahmen von nackt abgebildeten Kinder auf dem Wickeltisch, in der Badewanne oder oder am Strand. Sie verbreiten diese Bilder auch weiter.
Bei Fotos von Ereignissen wie Einschulung oder Sportevents ist außerdem klar, wo man Eure süße Tochter zukünftig nach der Schule oder dem Sport abfangen kann, ob sie mit süßen Katzenbabies zu locken ist oder wie cool der Sohnemann Bagger findet. Die Polizei warnt deshalb sogar vor dem Einstellen von ganz seriösen und an sich unspektakulären Bildern.
Deswegen, liebe Eltern: Euren Kindern könnten noch nach Jahren Kinderbilder, die im Netz so gut wie niemals (!) spurlos zu löschen sind, furchtbar peinlich sein. Ihr seht das nicht so eng, das ist klar. Was peinlich oder albern ist, entscheidet aber gar nicht Ihr, sondern Euer Kind – gefolgt von Mitschülern, Bekannten und Freunden. Eure Kinder könnten aufgrund solcher Bilder sogar noch viel später, und auch dann, wenn Ihr die Bilder längst gelöscht habt, Mobbingattacken ausgesetzt sein, ohne dass sie sich wehren können.
Ihr denkt alle so viel nach, wie Ihr Euch im Internet am besten präsentiert.
Bitte macht das bei Eurem Kind tausendmal mehr.
Hilfreich sind, wenn man ein besonderes Ereignis teilen möchte, auch die Privatsphäre-Einstellungen – sodass die Fotos zumindest nur einem eingegrenzten Bereich von Personen zugänglich sind (der hoffentlich die Bilder nicht seinerseits weiter verbreitet). Außerdem kann man Verpixeln, Verdecken oder nur von hinten fotografieren – das alles sind Tricks, um die Privatsphäre der Kinder zu wahren.
Und vor allem: Fragt Eure Kinder, ob sie für alle Zeiten und unkontrolliert mit einem bestimmten Foto oder Video im Netz vertreten sein wollen. Und wenn nicht, dann ist die Aufnahme einfach tabu.